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KiK-Preiskampfstrategie: Billigkleidung, Billiglöhne

Von der Socke bis zur Mütze: Maximal 30 Euro kostet ein Komplett-Outfit bei dem Textil-Discounter KiK. Die sozialen Nebenkosten bei der Produktion der Billigkleidung sind allerdings höher – die Preiskampf-Strategie schlägt sich in Lohndumping und Arbeitsrechtsverletzungen im In- und Ausland nieder.

Wenn der NDR heute Abend „Die KiK-Story – die miesen Methoden des Textildiscounters“ ausstrahlt, die Christoph Lütgert in Deutschland und in Bangladesch recherchiert hat, wird das Publikum kaum Neues erfahren:  Damit die Jeans bei KiK für drei, vier Euro verkauft werden können, wird auf dem Weg bis zur Kasse kräftig gespart – nicht nur in Billiglohnländern wie Bangladesch, sondern auch bei den Arbeitsbedingungen in Deutschland.

KiK – kurz für „Der Kunde ist König“ – sieht sich als „verantwortungsbewusstes, expansives und erfolgreiches Unternehmen“.  1994 ist die Kette KiK Textilien und Non-Food GmbH von Stefan Heinig und der Tengelmann Unternehmensgruppe gegründet worden. Mittlerweile besitzt KiK über 2.500 Läden in Deutschland, Österreich, Slowenien, Tschechien, Ungarn und der Slowakei, das Ziel der Zukunft ist ein 5.000-Filialen-Netz.

Heinig erklärte 2007 in einem Interview der WELT seine Erfolgsstrategie:  Als Ex-Schiedsrichter müsse ihm nicht jeder applaudieren – so ist ein rücksichtsloser Preiskampf durchzuhalten. Wenn die Konkurrenz nicht mehr mithalten könne, sei dies nur gerecht.  Gespart wird bei KiK überall entlang der Wertschöpfungskette:  KiK verzichtet vom Zwischenhändler bis zu Mülltonnen auf möglichst viele Kosten-Posten und macht sogar eigenen Schrott zu Geld: „Die großen Tonnen haben wir abbestellt, wir bestellen nur noch das, was wir unbedingt müssen. Ich halte die Müllgebühren in Deutschland für einen Skandal. Wir verkaufen unseren Papiermüll und unseren Schrott selber, das bringt noch einen Deckungsbeitrag.“

Jeans für 3 Euro, Arbeit für unter 5 Euro

Soweit nicht verwerflich – problematisch wird der KiK-Kurs beim Blick auf die Arbeitsbedingungen. 2009 wurde das Unternehmen wegen sittenwidriger Löhne verklagt. Die Zahlung von 5,20 EUR pro Stunde sei Lohnwucher (wobei Heine auch Löhne unter fünf Euro nicht für verwerflich hält). Auch sei laut der Kampagne Saubere Kleidung die Bildung von Betriebsräten verhindert und Überstunden nicht bezahlt worden sein. Im September letzten Jahres berichtete der SPIEGEL, dass KiK 49.000 Bonitätsauskünfte über Mitarbeiter eingeholt haben soll.

Noch dramatischer sind die Bedingungen in Produktionsländern wie Bangladesch. „Arbeitszeit: Von 8 Uhr morgens bis abends 18 Uhr, eine Stunde Mittagspause, sechs Tage pro Woche. Jede Näherin muss mit ihrer Einheit 120 bis 150 T-Shirts pro Stunde schaffen. Für Jeans gibt es andere Vorgaben. Monatsverdienst umgerechnet 20 bis 35 Euro“, beschreibt NDR-Reporter Lütgert das Standard-Beschäftigungsverhältnis in Bangladesch, dessen größter Wirtschaftszweig die Textilindustrie ist. Die österreichische Sendung „Weltjournal“ hat die Situation in Bangladesch bereits vor über einem Jahr in einer Sendung („Die Akte KiK 4/2/2009“) dokumentiert:

Der KiK-Verhaltenskodex als auch die (von KiK bezahlten) Prüfinstitute sind ein Feigenblatt und ändern nichts an der Situation. Intelligenten Konsum – also den Verzicht auf die moralfreie Billigware – darf man von vielen KiK-Käufern vom KiK-Käufer auch nicht erwarten – er der durchschnittliche KiK-Konsument wird in den meisten Fällen tatsächlich sparen müssen.

Filed under: Asien, Deutsche Spuren im Ausland, Deutschland, Europa, Gesellschaft, Medien, Wirtschaft, , , , , , ,

4 Responses

  1. payoli sagt:

    Dein letzter Satz ist eine Bankrotterklärung par excellence!
    Wieso ‚darf man vom KiK-Käufer das nicht erwarten‘!?
    Ich erwarte mir von jedermensch, auch mal über den Tellerrand zu gucken und sich mitmenschlich zu verhalten.
    Das Problem scheint mir eher zu sein, dass die Menschen bewusst blöd gehalten werden und kaum jemand die Zusammenhänge kennt bzw. checkt, dass er sich mit seiner Kurzsicht letztendlich selber am allermeisten schadet.
    paradise your life ! 😉

  2. fernlokal sagt:

    Hallo,

    danke für deinen Kommentar! Ich hatte gestern länger über den letzten Satz nachgedacht und mich gefragt, ob er verständlich ist.

    Ich wollte natürlich nicht verallgemeinern, aber den Weg zu KiK bestimmt ganz klar der Preis. Und es mag Leute geben, die nichts über die Produktion wissen oder nicht darüber nachdenken – und die eben nicht von den verfügbaren Informationen, sei es NDR oder ORF oder Internet etc. – erreicht werden. Daran kann man arbeiten…

    Aber es gibt eben auch viele, denen es einfach finanziell nicht freigestellt ist, zu wählen, wo sie dort kaufen (die KiK-Preise scheinen tatsächlich kaum zu unterbieten zu sein) oder eben woanders. Die immer gerne zitierte „Macht der Konsumenten“ greift hier also nicht wirklich… Verständlicher?

    Beste Grüße,
    Sonja

  3. payoli sagt:

    Ich hatte Dich schon verstanden, aber m.E. ändert das nix an der Tatsache, dass – als Bild – jeder den Vordermensch in den A…. tritt und nicht merkt, dass wir alle einen Kreis bilden. Ob jetzt einer tritt, weil er gierig ist oder treten muss, ist da unerheblich.
    Aber mit Logik kommt man generell nicht weiter in dieser verfahrenen Gesellschaft. Ich hab eben etwas dazu auf meinen paradise your life- blog gestellt.
    Liebe Grüße!

  4. Sylvia sagt:

    Moin,
    ich bin eine Kik Mitarbeiterin in Teilzeit und ich arbeite dort gerne, wir haben Heizung, bekommen über Tarif bezahlt, bekommen Weihnachts- und Urlaubsgeld und keiner nimmt den Müll abends mit, den holt die Müllabfuhr. Ich kenne etliche Kollegen aus Filialen in der Umgebung, die ihren Job dort nicht tauschen möchten. Mitarbeiterkontrollen sind nicht nur bei uns üblich, ich weiß von Lebensmittelkonzernen, wo sogar die Autos der Angestellten durchsucht werden, ich persönlich wurde noch nie kontrolliert.
    Davon abgesehen, das viele bekannte Markenfirmen die ihre Ware teuer verkaufen ebenso in Bangladesh und Co herstellen lassen, sollte man sich vor Augen führen, das der Mindestlohn dort umgerechnet ca 20 Euro beträgt, meises Wissens bezahlt Kik das doppelte. Wenn man ein wenig im Internet schaut, ist festzustellen, wie einseitig dieser Bericht ist. Warum ist der Bericht denn geschnitten worden nachdem er schon im NDR vor einiger Zeit lief?
    Wir Angestellten können natürlich nicht oben hinter die Kulissen schauen, aber ich weiß, das Kik von der Organisation Care mit dem Golden Standard Award einen Preis für vorbildliche Öffentlichkeitsarbeit in Asien aushezeichnet wurde. Die Erlöse von den bei uns verkauften Flickenteppischen werden wieder dort investiert um Arztstationen, Schulen und Kindertagesstätten zu bauen.
    Ich denke mal, das das sicherlich nicht alle Firmen machen die dort und in anderen Ländern mit ähnlichen Strukturen, herstellen lassen.
    Was nicht heißen soll, das es nicht noch besser gemacht werden kann und soll!
    Aber man sollte auch die andere Seite hören, auch wenn sie sich nicht verteidigt. Das Sommerloch mußte mal wieder gestopft werden, das hat das TV gechafft und wir Angestellten müssen es ausbaden, den wir stehen an der Front und werden von Leuten teilweise beschimpft, das wir dort in der „Ausbeuterfirma“ arbeiten…

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