Why democracy? war die Leitfrage verschiedener Kurzfilme, die im Rahmen des Kino-Festivals der Menschenrechte in Buenos Aires gezeigt wurden. Unter anderem ging es um einen italienischen Piratensender, um den ethisch skrupellosen Nachrichtensprecher von SABC und die Rolle des Internets in der Demokratischen Republik Kongo.
„What is democracy?“ lautet die Frage, die beim „Miss Democracy“-Contest entscheidend ist und von der blonden und wenig intelligenten Siegerin aus Seattle erfolgreich beantwortet wird: Mit Verweis auf einen Hamburger – denn der werde schließlich basisdemokratisch international von allen verspeist, sorge für Arbeit für Immigranten und sei ganz einfach leckerrr – und durch eine Cheerleader-Tanzeinlage („Give me a D-E-M-O-C-R-A-C-Y“). So ironisch wurde die Demokratieproblematik in keinem anderen Kurzfilm skizziert -und dennoch kamen die meisten der Beiträge zu Why democracy? zum gleichen Schluss: „Demokratie“ wird oft ebenso oft unverstanden wie unangebracht eingesetzt.
Die Kurzfilmrolle Why democracy? wurde gestern Abend im Rahmen des 11. Menschenrechte-Kinofestivals Festival Internacional DerHumALC, das vom 27. Mai bis zum 10. Juni 2009 internationale Shorts, Dokumentationen und Spielfilme zeigt, im Goethe Institut in Buenos Aires präsentiert. Die facettenreiche Zusammenstellung ist Teil des Projekts Why democracy?, das 2007 von der koordinierenden NGO Steps international und um die 40 internationalen Sendern durchgeführt wurde: „Each of the broadcasters – an A-Z which includes everyone from Al Arabiya to ZDF – will be producing a locally-based seasons of film, radio, debate and discussion to tie in with the global broadcast of the Why Democracy? films.“ Neben den 22 Kurzfilmen, die oftmals von ehemaligen Teilnehmern des Berlinale Talent Campus produziert worden waren, wurden ebenso zehn einstündige Filme gedreht. Die Trailer der Kurzfilme und Zusatzinformationen sind alle auf der Projekt-Webseite einzusehen.
Italo-Piraten
Eröffnet wurde die Kurzfilmrolle mit einem sehr konkreten Demokratieverständnis in Interferenze aus Italien: Das Recht auf Information und Informationsfreiheit entert der italienische Piratensender Orfeo – wie einige andere Alternativmedien – über die Frequenzen von MTV und anderen offiziellen Sendern, der angesichts Berlusconis Mediendominanz 2002 gegründet wurde und sich seitdem zum Telestreet Network mit etwa 150 Stationen vergrößert hat. Gezeigt wird, was im Staatsfernsehen ausgeblendet wird: Alltag und Probleme von Immigranten, Lokales, Proteste, Kritik. Orfeo möchte den passiven Zuschauer zum Sender machen und strebt nach der Eroberung und Gestaltung des öffentlichen Raums.
Auch unter Mafiosi sind Piratensender übrigens populär: 2007 war beispielsweise für Radio Nuova Ercolano aus Neapel Sendepause – die Polizeit hatte mitgeschnitten, wie der neapolitanische Birra-Clan inhaftierte Mitglieder durch codierte Musikwünsche und Grüße informierte. Ein Medium ist eben immer nur Medium – und wird erst durch emanzipatorischen Gebrauch zum Mittel der Demokratie.
Riaan Cruywagen: Medienprominenz ohne Rückkgrat
Wie erschreckend kritiklos staatlich inszenierte Nachrichten von einem Nachrichtensprecher präsentiert werden, zeigt Lucilla Blankenberg aus Kapstadt in „Don`t shoot“, einem Kurzportrait von Riaan Cruywagen, “The face of news in South Africa”.
Cruywagen, seit 1975 Anchorman des südafrikanischen Senders SABC, sieht seinen Job – auch im Rückblick auf die Ära und die offensichtlichen Gewaltanwendungen des Apartheid-Regimes – im reinen Vorlesen von staatlich produzierten News – ob diese nun stimmen oder nicht, ist für ihn selbst relativ irrelevant, diese Entscheidung überlässt er dem Publikum. Als Maßstab lässt er nur die Professionalität der Präsentation zu. Soviel zum ethischen Selbstverständnis des Medienpersonals und der Notwendigkeit dieser immerwährend aktuellen Debatte.
Kinshasa 2.0
Kinshasa 2.0 skizziert die Zustände in der „Demokratischen“ Republik Kongo am Beispiel der Geschichte der Politikerin Marie-Thérèse Nlandu und ihrer Familie und zeigt auf, wie das Internet hier kleine Freiräume eröffnen konnte. Ende 2006 wurde die Präsidentschaftkandidatin von Militärs verschleppt und angeklagt.
Nlandu
Der Blogger Mvemba Phezo Dizolele schrieb damals über die Kluft zwischen den demokratieverheissenden Verlautbarungen des neuen Präsidenten Kabila und dem desolaten Zustand des (Un-)Rechtsstaates:
In his December 6 inauguration speech, President Joseph Kabila promised to initiate a deep change of mentality, based on good governance, democracy and the respect of human rights. That promise, however, sounded hollow to most Congolese.
On November 21, three weeks before the inauguration, a special unit of the police arrested Marie-Thérèse Nlandu Mpolo Nene, 53, a prominent and respected lawyer, former presidential candidate, and a member of Jean-Pierre Bemba’s Union pour la Nation. She is married and has four children. Her family says her health has deteriorated in detention.
(…)
If indeed, Nlandu and her associates were involved in anything illegal, let the people hear the charges in a court of law. Let the country see the evidence against her. Let the prosecution and defense teams joust in front an independent judge. Let witnesses come forward and testify.
The Congolese people want to believe that this time their leaders mean to build a democratic society. They want a deep change of mentality, based on good governance, democracy and the respect of human rights. That was the promise they heard from President Kabila on December 6. Let justice prevail.
Der Dokumentarfilm arbeitet mit Second-Life-Szenen und Drehmaterial aus Kinshasa, bei dem ein an verschiedenen Orten aufgestellter Pappmaschée-Soldat die immerwährende Präsenz des Militärs symbolisiert. Erst über das Internet konnte internationale Hilfe mobilisiert werden (wie über Amnesty), so dass durch internationalen Druck die Freilassung von Marie-Thérèse Nlandu erwirkt werden konnte. Ebenso wird gezeigt, wie die Nichte am überwachten Telefonnetz vorbei per E-Mail Kontakt mit ihrer Tante im Exil in Belgien hält. Hier ist der Kurzfilm online zu sehen.
(sop)
Szene aus dem Film
Amber Bordewijk |
Director: |
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Zoe D’Amaro |
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